Otto Baum
Otto Baum war mein Lehrer, ich war zweiundzwanzig Jahre alt und liebte ihn. 1947 lebte ich – wortwörtlich – von der Luft und der Liebe. Zu essen gab es fast nichts für mich, die ich kein Geld hatte, mir etwas zu kaufen. Außer Reis, von dem ich mir jeden Mittag ein Töpfchen auf der Heizplatte wärmte. Otto Baum war von den Menschen enttäuscht. Er liebte die Tiere und tat es demonstrativ. Wenn er den Schäferhund im Akademiehof streichelte, war das mehr als Liebe: Es war die Botschaft an alle Zuschauer, daß seine Zuwendung nicht ihnen galt, sondern der Kreatur. Alle Schüler, die ihn verehrten, versäumten nie, den Hund zu tätscheln, wenn sie durch den Hof gingen. Ich teilte sogar meinen Reis mit ihm und fühlte mich über alle Maßen geehrt, wenn mein Professor behutsam und feierlich den Geldbeutel öffnete, Kleingeld abzählte und mich zum Metzger schickte, hundertfünfzig Gramm Wurst zu holen für den Hund.
Als ich den Besigheimer Wettbewerb gewonnen hatte und vierhundert Mark Modellgeld erhielt, war es mir sehr nach Feiern zumute. Ich bestellte einen Tisch im „Holzwurm“ und lud alle meine Studienkollegen zu einem Essen ein. Es war gleichzeitig auch mein Abschied von der Akademie. Ich war überzeugt, alle würden sich über den großen Erfolg mit mir freuen. Es kamen vier oder fünf, ich weiß es nicht mehr genau. Woran ich mich aber erinnern kann, waren die Grüße, die mir vom Meister bestellt wurden: Er könne nicht kommen, sein Hund sei krank.
Nachricht von Otto Baum an Eva Zippel aus dem Jahr 1954.